Hafen am Meer

Monara
"Wir machen viel. Zum Beispiel feiern wir, arbeiten ab und an, reisen herum.. und erzählen den anderen von uns. Und warum wir als Diebe bezeichnet werden... nun. Wir halten uns an keine Regeln. Daher kommt erstmal so schon viel Wind auf. Ein paar zahlen auch nicht. Wir haben unsere Freiheit und nutzen sie. Außerdem sind die meisten von uns eh vogelfrei."

"Hauptsächlich klingt das ja nach viel Spaß.",sage ich.
Dann stolpere ich allerdings über einen Begriff.
"Vogelfrei? Das gibt es doch seit dem Mittelalter nicht mehr. Dieses Gesetz wurde abgeschafft. Einer der letzten, der für vogelfrei erklärt wurde war doch Martin Luther wegen angeblicher Gotteslästerung."

Monara
"Natürlich gibt es Vogelfreiheit. Liegt vielleicht daran, dass bei uns viele Zeiten zusammentreffen. Egal. Spaß haben wir. Jede Menge. Die meisten sind unermüdlich am feiern. Aber mir ist das manchmal zu laut. Lieber bin ich im Wald, wo es still ist..."
Monara hatte den Blickwechsel der Menschen gemerkt. Aus Spaß und Spott waren Angst und Verachtung geworden. Aber nur für sie. Kate wurde normal angesehen, wenn überhaupt.

"Wie du meinst.",seufze ich, als sie meint, es gäbe Vogelfreiheit. Mir ist noch immer nicht nach Diskussionen zumute.
Meine Gedanken schweifen zu Lucian ab. Hoffentlich kommt er bald. Nur er kann mich von den unerfreulichen Gedanken ablenken. Von Tessa, Brix, unserer bevorstehenden räumlichen Trennung. Nur er könnte mich jetzt wieder glücklich machen. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, die es uns möglich macht, dass Tessa uns nicht bedrohen könnte. Aber das ist ein unerreichbarer Traum.

Monara
Sie sah Kate genau an. Sie war hübsch. Und hatte wohl gerade Musik gehört. Ein Junge warf ihr einen Stein gegwn den Kopf, den sie prompt zurückwarf. Das Mädchen neben ihr war unruhig... traurig?
"Was hast du?", fragte Monara.
Gefühle solcher Art konnte sie noch nie ignorieren. Auch jetzt nicht. Sie war ja ein Spielmann. Oder etwa nicht? Da half man immer.

Ich bekomme nur am Rande mit, wie Monara von einem Stein am Kopf getroffen wird. Prompt wirft sie ihn zurück.
Ich spüre ihren Blick auf mir.
"Nichts. Ich denke nur nach. ",sage ich als Antwort auf ihre Frage. Ich will das Mädchen nicht mit meinen Problemen belasten und außerdem muss sie davon ja nichts wissen. Es würde auch viel zu lange dauern, um es ihr verständlich zu erklären.

"Sicher? Ich kann Gefühle spüren. Du denkst wohl über ein sehr großes Problem nach. Glaub mir... ich bin älter als es scheint. Wenn ich helfen kann, versuche ich es gerne."
Monara sah ihre Gesprächspartnerin an und musterte diese. Für einen Spielmann war sie zu zögerlich. Monara dachte nach. Es stand noch ihre Frage offen, auf die sie keine Antwort bekommen hatte, offen. Egal...

Ich schaue das Mädchen genau an.
Tatsächlich erscheint sie ziemlich jung, was aber auch trügen kann. Trotzdem wähle ich meine Worte mit äußerster Sorgfalt.
"Ich müsste es schaffen einen bestimmten Menschen von der Stadt und auch dem Internat fern zu halten. Allerdings ist dieser Wunsch mehr wie aussichtslos. ",antworte ich ihr leise.
Es ist die Wahrheit, aber ich denke ich habe es auch nicht zu genau gesagt. Es muss ja nicht jeder wissen, was für Probleme ich habe und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass Lucian es gut fände, wenn ich unsere Probleme einem völlig fremden Mädchen wie Monara erzähle. Och selbst würde auch nichts davon halten. Glaube ich zumindest.

Schon von weitem erkenne ich Lucian, wie er lächelnd auf uns zukommt. Und dann steht er vor uns und beugt sich zu mir. Kurz liegen seine Lippen auf meinen und erst jetzt merke ich, wie sehr ich ihn vermisst habe.
"Hallo. Du bist aber früh dran.", sage ich mich mit einem Lächeln, nachdem wir uns wieder voneinander gelöst haben. Er sieht mit verschränkten Armen und einem Grinsen die Straße hinunter.
"Du brauchst da aber nicht stehenbleiben. Setz dich doch. Und entschuldige bitte, wenn ich etwas derangiert aussehe. Ich war joggen, bevor ich hierher gekommen bin.",sage ich entschuldigend.

Er setzt sich auf meine Aufforderung hin neben mich und mustert mich. Vielleicht etwas länger als nötig.
Leise vernehme ich sein Lachen.
"Ja ich sehe derangiert aus. Ich hab mir schon ordentlich Mühe gegeben. Aber gut zu wissen, dass ich deswegen noch nicht in Ungnade falle."erwidere ich grinsend.
Schnell trinke ich noch was aus meiner Wasserflasche, dann lehne ich meinen Kopf auf seine Schulter.
"Gibts was Neues bei dir?",flüstere ich.
Dann fällt mir ein, dass Monara ja noch da ist.
"Ach so. Entschuldigung. Das ist übrigens Monara. Sie geht auch aufs Internat.", stelle ich das Mädchen vor.

Sie hatte automatisch abgeschaltet, als die beiden redeten. Erst, als ihr Name fiel, sah sie auf. Kate hatte sie wohl vorgestellt. Gerade wollte sie den Jungen begrüßen, als ihr Eisgeruch in die Nase stieg.
"Eis!"
Monara sprang auf und wäre beinahe eInfach losgestürmt, doch im letzten Moment drehte sie sich nochmal um.
"Ich komme gleich wieder. Bis später."
Flink schlängelte das Mädchen sich durch die Menge und ging zum Eisstand. Dort kaufte sie sich drei Kugel... aber den Weg zu Kate fand Monara nicht mehr. Verlaufen. Schulterzuckend suchte das Mädchen irgendwie nach dem Mädchen.
Zum See

Plötzlich springt Monara einfach auf und ruft Eis.
Schnell rennt sie los, ruft noch, dass sie gleich wieder da sei und weg ist sie.
Ein wenig verdutzt schaue ich ihr nach, schüttle den Kopf und lache.
"Dieses Mädchen scheint eine einzige Katastrophe zu sein. Die sehen wir vermutlich nicht so schnell wieder. Wenn man ihr glauben darf, dann hat sie einen miserablen Orietierungssinn.", erkläre ich.

"Gut zu wissen.", nehme ich den Punkt Ungnade kurz auf.
Auch er schüttelt den Kopf über Monara.
"Numero Uno: Sie ist nicht direkt meinen Freundin. Ich kenne das Mädchen seit 10 Minuten. Numero Dos: Sehr freundlich. Ich ziehe Katastrophen also magisch an? Falls du damit auch dich meinst. Du bist keine Katastrophe, sondern das Beste, was mir passieren konnte.",erwidere ich und gehe auf seinen scherzenden Tonfall ein.
Seufzend schmiege ich mich ein wenig an ihn.
"Bitte sag mir, dass deine 45 Minuten erfreulicher waren, wie meine.",sage ich leise.

"Dir ist klar, dass ich damit nicht übereinstimme, oder? Und wenn ich es nicht leid wäre für heute, dann würde ich jetzt mit dir darüber diskutieren. Du brauchst in der Tat den Namen nicht zu erwähnen. Ich weiß auch so, wen du meinst.",gebe ich zurück. Der Spaß ist auch aus meiner Stimme gewichen.
Er legt mir den Arm um die Taille. Ich genieße die Kälte seiner Haut. Sie ist ein willkommener Kontrast zu der Wärme der Umgebung.
Er zögert, als er meine 'Frage' beantwortet. Ich weiß zwar, dass es nicht ganz die Wahrheit ist, frage aber trotzdem nach. Auch auf die Gefahr hin, etwas zu genau zu fragen.
"Was war denn?"

Ich seufze leise. "Natürlich ist mir das klar. Und ehrlich gesagt, möchte ich diesen Tag auch nicht mit diskutieren verbringen. Obwohl wir bei unseren Gesprächen meistens dort landen...", sagte ich leise. Natürlich wusste sie, wen ich meinte. Ich seufzte ein weiteres Mal. Auch aus ihrer Stimme war der Spaß verschwunden. Warum zerstöre ich immer alles? Macht mir das Spaß? Nein...wieso dann?, fragte ich mich und mein Gesicht verfinsterte sich für einen kurzen Moment. Doch zu schnell verschwindet es wieder.
"Das Gleiche könnte ich dich auch fragen", sagte ich leise. "Was war denn bei dir?" Ich lächelte leicht. "Jayson ist nicht gerade gut gelaunt und wenn ich bei ihm bin, ist es so, als würden wir beide nur noch an den Tod denken. Das ist nicht sehr aufbauend. Außerdem wurde ein weiterer Wächter hergeschickt. Was das soll, weiß ich leider nicht. Und kennen tue ich ihn auch nicht. Und dann war diese Sehnsucht nach dir. Ich hoffe ich habe dir hiermit deine Frage beantwortet?" Meine Stimme klingt eine Spur spöttisch und doch entspricht alles der Wahrheit.

"Mag sein, dass wir immer bei den Diskussionen landen. Trotzdem funktioniert es doch zwischen uns. Und hör auf so finster aus der Wäsche zu gucken. Es ist nichts schlimmes daran. Es ist doch nun mal wie es ist, Lucian. Es bueno como es. Créanme esto, por favor.",sage ich eindringlich und sehe zu ihm hoch.
Er fragt nach meinen Erlebnissen, erzählt von Jayson. Erst gehe ich auf seinen Bericht ein.
"Es ist schwer. Für Jay und für dich. Ihr habt beide viel verloren. Eure Freunde. Jay braucht Zeit. Du genauso. Und dieser neue Wächter wird doch nichts ändern. Ihr lernt ihn kennen. Es wird sich alles irgendwie finden. Du bist stark genug dafür. Das weiß ich. In einem seiner Songs sagt Aerosmith 'Dream until your dreams come true'. Ich weiß, dass du doch noch irgendwo Hoffnungen hast. Also kämpfe dafür, solange bis du erreicht hast, was du willst. Daran halte ich mich auch immer fest."
Ich atme erstmal tief durch, denn ich habe während meines Vortrags kaum Luft geholt.
"Bei mir? Och hauptsächlich... ja. Dimak ist sturzbetrunken. Und jetzt halt dich fest: Von Eis. Ich war fassungslos, als er mir das gesagt hat. Yuki kümmert sich um ihn.Ach und Brix war da. Er hat mir meine Fragen zu dem Foto beantwortet. Und dann ist er schneller abgehauen, als ich gucken konnte. War mir aber recht."

"Mag sein, dass wir stur sind, aber nicht unnachgiebig. So schlimm sind wir dann doch nicht. Einen gewissen Reiz hat es tatsächlich,  aber wie gesagt, manchmal hab ich es einfach satt."gebe ich zurück und lache ebenfalls kurz.
Er zieht mich näher zu sich,  sagt er liebe mich. Ich lächle.  
"Genauso, wie ich dich liebe, mi estrella"
Lucian erzählt, was Jay von dem Wächter weiß, doch ich lasse es unkommentiert. Manchmal muss man nichts sagen. Deshalb nicke ich bloß.
"Und du bist meine Hoffnung. Ohne dich würde ich so ziemlich alles verlieren. ",antworte ich wahrheitsgemäß.
Während er über Dimak lacht, schweigt er bei Brix.  Ich ebenfalls.

Ich stimme in sein Lachen ein, als er von unserer Sturheit redet.
"Du hast vielleicht recht. Aber nur vielleicht. Und als ich sagte ich habe es satt, da meinte ich sicherlich nicht dich.", sage ich immer noch lachend.
Ich kriege mich aber schnell wieder ein, als er meint er wäre mein persönlicher Chaosverursacher.
"Heute lasse ich dir diesbezüglich ausnahmsweise deine Meinung, aber pass bloß auf. Irgendwann diskutieren wir zwei das noch vernünftig aus.", gebe ich amüsiert zurück.
Obwohl das kaum möglich ist drücke ich mich noch enger an ihn und seufze glücklich.
Beim Sprechen merke ich das Summen seiner Stimme, dass sich durch seinen Körper zieht. Herrlich. Und dann spricht er Rin an.
"Ich weiß. Vorausgesetzt wir finden sie. Irgendwo am Rande habe ich mitbekommen, dass sie heute wohl nicht in der Schule war. Ich mach mir Sorgen um sie, Lucian. Du hast sie gerade erst dazu gekriegt sich etwas zu öffnen..."
Ich verstumme. So wie ich das sage, kommt es rüber, als seien wir schuld an ihrem Zustand. Als wäre es schlecht, dass ich ihn liebe. Das er mich liebt. Ist es aber nicht. Nein.
"Das darf ich mir niemals einreden. Nie...",murmle ich und merke erst viel zu spät, dass ich laut gesprochen habe, anstatt es mir zu denken.